Ob die Idylle im Eigenheim, das harmonische Miteinander im Mietshaus oder das nette Grüßen am Gartenzaun – für viele ist ein gutes Nachbarschaftsverhältnis Teil des Wohntraums. Aber die Realität ist oft eine andere: Leben Menschen auf engem Raum zusammen, entstehen Reibungspunkte, und aus kleinen Unstimmigkeiten können schnell erbitterte Konflikte werden. Was mit einer zu hoch gewachsenen Hecke, lauter Musik, überfüllten Mülltonnen oder unangenehmen Gerüchen beginnt, kann nicht selten mit lauten Beschimpfungen, Polizeieinsätzen oder sogar Gewalt enden. Wie die neuesten Zahlen des Innenministeriums belegen, sind im Jahr 2025 in Deutschland 9.610 Menschen Nachbarschaftskonflikten zum Opfer gefallen – das ist ein Anstieg um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotz eines leichten Rückgangs der Verletztenzahlen ist eine besorgniserregende Entwicklung zu beobachten: Die Zahl der Beleidigungen und Drohungen nimmt zu, und fast ein Drittel der Betroffenen fühlt sich bedroht. Im Jahr 2025 kam es in sieben Fällen so weit, dass Menschen durch Streitigkeiten ihr Leben verloren.
Es gibt zahlreiche Ursachen für die sich zuspitzende Nachbarschaftsfehde. Lärmbelästigung durch Feiern oder Renovierungsarbeiten, Streit um die angemessene Gartenpflege, spielende Kinder im Hof oder der Duft von Grillabenden – oft sind es Kleinigkeiten, die zu schweren Zerwürfnissen führen. Die Experten sind sich einig: Die Verdichtung der Städte, die Individualisierung und der Stress sind Hauptfaktoren für die immer häufiger auftretenden Konflikte. Währenddessen nehmen Polizei und Rechtsberater eine Verschlechterung der Umgangsformen wahr: Wo man früher noch mit einem freundlichen Gespräch am Gartenzaun Konflikte löste, werden heute schnell Anwälte eingeschaltet oder die Polizei gerufen.
Die Auswirkungen auf die Betroffenen sind schwerwiegend: Neben körperlichen Verletzungen leiden viele unter Angst, Schlaflosigkeit oder einem permanenten Gefühl der Unsicherheit. Infolge der Belastung können Betroffene ihre Wohnung oder sogar ihr Zuhause verlassen. Die zunehmenden Nachbarschaftskonflikte sind auch eine Herausforderung für die Gesellschaft: Sie belasten die Justiz, binden Polizeikräfte und untergraben das soziale Miteinander. Aber wie verwandelt sich eine Bagatelle in einen handfesten Nachbarschaftsstreit? Welche rechtlichen und psychologischen Faktoren sind entscheidend, und wie lassen sich Konflikte entschärfen, bevor sie eskalieren? Dieser Artikel betrachtet die unterschiedlichen Aspekte eines Phänomens, das immer mehr Menschen betrifft, und zeigt, welche Lösungsansätze es gibt – sowie wo die Grenzen des Erträglichen verlaufen.
Ursachen und Auslöser: Warum Nachbarn streiten
Selten entstehen Nachbarschaftskonflikte aus dem sprichwörtlichen Nichts. Oftmals entstehen Spannungen jedoch schleichend, verursacht durch eine Vielzahl von Faktoren, die im Alltag zunächst als unbedeutend erscheinen. Lärm ist dabei der häufigste Streitpunkt: Ob nächtliche Partys, lautes Musikhören, Renovierungen am Wochenende oder ein bellender Hund – Geräuschempfindlichkeit und verschiedene Lebensrhythmen kollidieren und verursachen Unmut. In urbanen Gebieten, wo die Bebauung dichter und der Geräuschpegel insgesamt höher ist, kommen solche Konflikte häufiger vor.
Ein weiterer klassischer Auslöser sind unangenehme Gerüche. Balkongrillen, Rauchen im Treppenhaus oder Kochen mit stark riechenden Gewürzen können Nachbarn leicht auf die Palme bringen. In einer Zeit, in der Individualität und Selbstverwirklichung so wichtig sind, verlieren gemeinschaftliche Rücksichtnahme und die Bereitschaft zum Kompromiss immer mehr an Bedeutung. Besitzansprüche und Ressentiments über gemeinschaftliche Flächen wie Gärten, Zufahrten oder Parkplätze kommen noch dazu. Wer hat das erste Nutzungsrecht auf die Mülltonne? Welches Auto gehört zu dem glücklichen Besitzer des begehrten Stellplatzes? Fragen dieser Art haben ein hohes Konfliktpotenzial.
Soziale und kulturelle Differenzen sind ebenfalls wichtig. Abweichende Ansichten über Sauberkeit, Ruhezeiten oder die Erziehung von Kindern können Missverständnisse und Vorurteile hervorrufen. In multikulturellen Nachbarschaften kreuzen sich unterschiedliche Lebensentwürfe, was das Risiko von Konflikten zusätzlich erhöht. Auch demografische Veränderungen tragen nicht zuletzt dazu bei, dass neue Spannungsfelder entstehen. Während das Leben der Älteren oft von Ruhe und Ordnung geprägt ist, leben die Jüngeren flexibler und weniger gebunden an Traditionen. Im Alltag ist die Kluft zwischen diesen Lebenswelten oft zu spüren.
Außerdem heben Psychologen hervor, wie wichtig persönliche Befindlichkeiten sind: Stress im Job, Geldsorgen oder familiäre Probleme werden oft am Nachbarn ausgelassen. Frustrationen, die mit dem eigentlichen Auslöser nur noch wenig zu tun haben, finden im Nachbarschaftsstreit eine Projektionsfläche. In großen Wohnanlagen kann Anonymität oder das Fehlen von sozialen Bindungen dazu führen, dass Aggressionen leichter ausgelebt werden. So verwandeln sich Kleinigkeiten in ernsthafte Konflikte, bei denen es nicht mehr um die Sache, sondern um das Prinzip geht.
Die Eskalationsspirale: Vom Missverständnis zur Gewalt
Nachbarschaftsstreits folgen oft einer typischen Eskalationsspirale. In der Regel beginnt es mit einer harmlosen Meinungsverschiedenheit: Ein Nachbar fühlt sich gestört und spricht den anderen an – vielleicht noch freundlich, vielleicht schon mit einem Hauch von Gereiztheit. Wird das Anliegen hingegen nicht ernst genommen oder sogar ignoriert, verschärft sich die Lage. Unmittelbar nach dem Gespräch folgt der erste schriftliche Hinweis, sei es ein Zettel im Hausflur oder vielleicht sogar eine formelle Beschwerde bei der Hausverwaltung.
Oft eskalieren die Dinge über verbale Auseinandersetzungen hinaus. In Beleidigungen, Drohungen oder gezielten Schikanen findet eine Spannungsentladung statt. Typische Beispiele sind das absichtliche Zuschlagen von Türen, das Blockieren von Zugängen oder das Verbreiten von Gerüchten in der Nachbarschaft. Die Fronten verhärten sich und Lager bilden sich: Freunde und Bekannte werden in den Streit hineingezogen, der Konflikt wird dadurch dynamischer.
Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Ehre oder Integrität verletzt wird, sinkt die Hemmschwelle zur Gewalt. Wie die Statistik des Innenministeriums aus dem Jahr 2025 zeigt, erlitten etwa 40 Prozent der Betroffenen eine leichte Körperverletzung. In extremen Fällen werden tätliche Angriffe mit schwerwiegenden Folgen verübt. Im Jahr 2025 erfasste die Polizei sieben Todesfälle, die mit Nachbarschaftskonflikten in Verbindung stehen – diese Zahl zeigt, wie dramatisch sich die Situation entwickelt hat.
Ein entscheidender Punkt der Eskalationsspirale ist der Verlust der Gesprächskultur. Wenn der Dialog endet und sich gegenseitige Vorwürfe breitmachen, sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine friedliche Lösung immer mehr. Um das eigene Recht durchzusetzen, werden Polizei oder Anwälte eingeschaltet. Die Beteiligten empfinden immer mehr Bedrohung, was die Kompromissbereitschaft weiter verringkt. Fachleute weisen in diesem Zusammenhang auf eine Eskalation durch "Kommunikationsverweigerung" hin. Je länger der Konflikt dauert, desto schwieriger wird es, die verhärteten Fronten zu durchbrechen.
Psychologische Aspekte wie Kränkung, das Streben nach Macht oder der Wunsch nach Genugtuung sind entscheidend. Im fortgeschrittenen Stadium eines Streits ist es nicht selten, dass man sich längst nicht mehr über den Grund des Streits an sich streitet. Der Nachbar wird zum Feindbild, jede seiner Handlungen wird übertrieben gewichtet und als Angriff gedeutet. Misstrauen blüht in diesem Klima, und kleine Provokationen können große Eskalationen auslösen.
Die Rolle der Polizei: Eingreifen zwischen Prävention und Deeskalation
In Deutschland sind Nachbarschaftskonflikte immer öfter ein Grund für Polizeieinsätze. Im Jahr 2025 wurden den Angaben des Innenministeriums über 11.000 Einsätze im Zusammenhang mit Nachbarschaftsstreitigkeiten verzeichnet – und die Zahl steigt. Die Beamten haben eine herausfordernde Aufgabe: Sie müssen nicht nur akute Konflikte schlichten, sondern auch präventiv handeln, um eine weitere Eskalation im besten Fall zu verhindern.
Normalerweise rufen Nachbarn die Polizei, wenn sie sich bedroht oder belästigt fühlen und andere Lösungen nicht funktioniert haben. In solchen Momenten sind die Einsatzkräfte oft mit emotional aufgeladenen Situationen konfrontiert, in denen rationale Argumente kaum Gehör finden. Zunächst einmal sollen Sie die Parteien auseinanderbringen, die Situation beruhigen und die Fakten klären. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, weil jede Parteinahme als ungerecht empfunden werden kann und den Konflikt weiter verschärfen könnte.
Die Polizei hat in Nachbarschaftsstreitigkeiten nur begrenzte rechtliche Handlungsoptionen. Ohne das Vorliegen einer Straftat dürfen die Beamten meist nur ermahnen oder versuchen, ein Gespräch zwischen den Parteien zu vermitteln. Strafrechtliche Vorschriften kommen erst zum Einsatz, wenn es zu Beleidigungen, Bedrohungen oder Körperverletzungen kommt. In solchen Situationen nehmen die Beamten Anzeigen auf, sichern Beweise und starten Ermittlungen. Allerdings sind die meisten Delikte im Nachbarschaftskontext Bagatelldelikte, die durch das Ordnungswidrigkeitenrecht geregelt werden.
Der Fokus auf Prävention wächst immer mehr. Viele Polizeidienststellen haben eine Zusammenarbeit mit kommunalen Schlichtungsstellen oder Mediationseinrichtungen. Die Absicht ist es, Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen, bevor sie sich verschärfen. Das umfasst Informationsveranstaltungen, Beratungsgespräche oder die Vermittlung von Mediatoren. Trotz ihrer Befugnisse sind die Möglichkeiten der Polizei begrenzt: Sie kann keine nachhaltigen Lösungen erzwingen und ist auf die Bereitschaft zur Zusammenarbeit aller Beteiligten angewiesen.
Die Polizeikräfte sind erheblich belastet. Wie sie selbst berichten, beanspruchen Nachbarschaftsstreitigkeiten die Dienststellen erheblich und binden Ressourcen, die anderswo fehlen. Beamte der Polizei berichten, dass die Aggressivität und Respektlosigkeit, mit der ihnen begegnet wird, zunimmt. Die Hemmschwelle, bei jeder Kleinigkeit die Polizei zu rufen, ist gesunken – das ist ein Zeichen für das schwindende Vertrauen in die eigenverantwortliche Konfliktlösung.
Juristische Aspekte: Rechte, Pflichten und Grenzen
Die rechtliche Betrachtung von Nachbarschaftsstreitigkeiten ist kompliziert und umfasst viele Einzelregelungen. Im Nachbarrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind zahlreiche Vorschriften enthalten, die das Zusammenleben regeln. Dies umfasst Regelungen zu Lärm, Geruchsbelästigung, Grenzabständen von Pflanzen, Nutzung gemeinschaftlicher Flächen und zur Duldungspflicht bei Bauvorhaben. Bundesrechtliche Regelungen werden durch landesrechtliche Bestimmungen ergänzt, wie zum Nachbarrecht oder Immissionsschutz.
Das Nachbarrecht beruht auf dem wichtigen Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme. Nach § 903 BGB darf jeder Eigentümer mit seiner Sache nach Belieben verfahren, solange nicht das Gesetz oder die Rechte Dritter dem entgegenstehen. Das führt zu Rechten und Pflichten: Wer beispielsweise laut musiziert, sollte die Ruhezeiten beachten; Griller sollten darauf achten, ihre Nachbarn nicht übermäßig durch Rauch zu belästigen. Wenn eine Handlung das zumutbare Maß überschreitet, kann der Betroffene Unterlassung verlangen oder – im Extremfall – Schadensersatz fordern.
Ein häufiger Streitpunkt ist die sogenannte "Störung der Totenruhe", beispielsweise durch lautes Verhalten auf Friedhöfen in der Nähe. Immer wieder kommt es auch zu juristischen Auseinandersetzungen über die Tierhaltung. Die Erlaubnis, Hunde, Hühner oder sogar exotische Tiere zu halten, ist von der jeweiligen Situation abhängig und wird von den Gerichten fallbezogen entschieden. Es wird besonders kompliziert, wenn Mietrecht und Eigentumsrecht sich kreuzen, wie in Wohnungseigentümergemeinschaften.
Im Mietrecht sind Hausordnungen und Mietverträge von großer Bedeutung. Sie bestimmen, was im Haus erlaubt ist und was nicht. Bei Verstößen können die Hausverwaltung oder der Vermieter eingreifen; im schlimmsten Fall droht sogar die Kündigung des Mietverhältnisses. Dennoch ist es erforderlich, dass der Vermieter beweist, dass das Verhalten des Mieters eine nachhaltige Störung des Zusammenlebens verursacht. Die Gerichte haben dabei hohe Anforderungen.
Eine juristische Auseinandersetzung zieht häufig lange Dauer und hohe Kosten nach sich. Aus diesem Grund empfehlen Juristen, den Gang zum Gericht nur als letzte Option zu wählen und zuerst auf eine außergerichtliche Einigung zu setzen. Mediation oder Schlichtungsstellen sind hilfreich, um eine Lösung zu finden, die beide Seiten akzeptieren können. Trotz allem landen jedes Jahr Tausende von Nachbarschaftsstreitigkeiten vor Gericht – und nicht immer sorgt das Urteil für die erhoffte Befriedung.
Psychologische Folgen: Angst, Stress und soziale Isolation
Die psychologischen Folgen von Nachbarschaftsstreitigkeiten werden häufig nicht ausreichend gewürdigt. Für die Betroffenen ist der Konflikt eine ständige Belastung, die alle Bereiche ihres Lebens beeinflussen kann. Die Furcht vor Begegnungen, Schlafstörungen und ein Gefühl der Ohnmacht sind einige der häufigsten Begleiterscheinungen. Die Auswirkungen sind besonders gravierend, wenn ein Streit eskaliert und in Bedrohung oder Gewalt umschlägt.
Forschungsergebnisse belegen, dass langanhaltende Konflikte mit Nachbarn chronischen Stress verursachen können. Ein dauerhafter Alarmzustand des Körpers erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie für Depressionen und Angsterkrankungen. Die Belastung wird zusätzlich erhöht, weil das Zuhause nicht mehr als Rückzugsort dient. Dort, wo Sicherheit und Geborgenheit eigentlich sein sollten, dominieren Unsicherheit und Angst.
Soziale Isolation ist eine weitere Konsequenz: Viele Betroffene ziehen sich zurück, meiden den Kontakt zu Nachbarn und verlassen ihre Wohnung nur noch, wenn es unbedingt nötig ist. Das Misstrauen gegenüber anderen steigt, Freundschaften und nachbarschaftliche Beziehungen gehen verloren. Einsamkeit trifft besonders ältere Menschen, wenn sie in einen Konflikt verwickelt sind.
Kinder sind ebenfalls betroffen: Sie erleben Streit und Aggression hautnah, was Angststörungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Schwierigkeiten in der Schule zur Folge haben kann. In Familien, die in Nachbarschaftskonflikte verwickelt sind, wächst die Wahrscheinlichkeit für Spannungen und Erziehungsprobleme innerhalb der Familie.
Experten aus der Psychologie raten dazu, schon frühzeitig Hilfe von Profis zu suchen. Hilfsangebote wie Beratungsstellen, Mediation oder psychologische Betreuung können helfen, die Belastung zu reduzieren und Lösungswege aufzuzeigen. Es ist entscheidend, den Konflikt nicht zu ignorieren, sondern ihn aktiv zu bewältigen. In vielen Städten existieren inzwischen spezielle Anlaufstellen, die Opfer von Nachbarschaftsstreitigkeiten mit Beratung und Hilfe unterstützen.
Mediation und Schlichtung: Wege zur friedlichen Lösung
In den letzten Jahren hat sich die Mediation als ein effektives Mittel zur Beilegung von Nachbarschaftskonflikten bewährt. Anders als im Gerichtsverfahren geht es hier nicht darum, dass eine Partei gewinnt; stattdessen steht die Zusammenarbeit zur Entwicklung einer tragfähigen Lösung im Mittelpunkt. Professionelle Mediatoren helfen den Konfliktparteien, ihre Standpunkte zu klären, Missverständnisse zu beseitigen und Kompromisse zu finden.
Eine Mediation folgt einem strukturierten Ablauf: Nach einem Vorgespräch laden wir die Beteiligten zu einem gemeinsamen Termin ein. Die Mediatoren sorgen dafür, dass beide Parteien zu Wort kommen und die Atmosphäre während des Gesprächs respektvoll bleibt. Das Ziel ist es, die wahren Bedürfnisse hinter den Positionen zu erkennen und kreative Lösungen zu finden. Oftmals handelt es sich dabei weniger um das direkte Anliegen – wie zum Beispiel die Höhe der Hecke – sondern um das Bedürfnis nach Respekt, Anerkennung oder Sicherheit.
Die Erfolgsquote von Mediationen bei Nachbarschaftskonflikten ist beeindruckend: Etwa 70 Prozent der Verfahren führen zu einer einvernehmlichen Vereinbarung. Es ist jedoch entscheidend, dass beide Seiten bereit sind, sich auf den Prozess einzulassen und Kompromisse zu akzeptieren. Manchmal ist das jedoch nicht möglich – beispielsweise, wenn der Konflikt schon zu weit fortgeschritten ist oder eine Partei nicht bereit ist, zu verhandeln.
Viele Städte und Gemeinden haben inzwischen eigene Schlichtungsstellen eingerichtet, die entweder kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr arbeiten. Polizei und Mietervereine vermitteln ebenfalls an Mediatoren, wenn es nötig ist. Die Pluspunkte sind offensichtlich: Mediation ist im Vergleich zu einem Gerichtsverfahren schneller, günstiger und nachhaltiger. Sie verbessert das Verständnis füreinander und stärkt die Fähigkeit, Konflikte eigenverantwortlich zu lösen.
Es existieren neben der klassischen Mediation auch andere Formen der Schlichtung, wie die Nachbarschaftshilfe oder das "Güteverfahren", welches vor einer Schiedsbehörde stattfindet. In einigen Bundesländern ist es sogar Pflicht, es außergerichtlich zu versuchen, bevor man ein Gerichtsverfahren anstrebt. Die Erfahrungen belegen: Wenn der Dialog und das Verständnis im Mittelpunkt stehen, verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation erheblich.
Prävention im Alltag: Tipps für ein gutes Miteinander
Der beste Weg, um Nachbarschaftskonflikte zu vermeiden, ist die Prävention. Wer frühzeitig auf die Bedürfnisse und Empfindungen seiner Nachbarn reagiert, schafft die Basis für ein harmonisches Miteinander. Ein offenes, freundliches Gespräch ist der Schlüssel: Kommunikation ist das A und O, um Missverständnisse auszuräumen, bevor sie zu Problemen werden. Es ist ratsam, gleich zu Beginn, wenn man einzieht, den Kontakt zu den Nachbarn zu suchen, sich vorzustellen und auf einen respektvollen Umgang zu achten.
Hausordnungen, Ruhezeiten und gemeinschaftliche Regeln zu respektieren, ist entscheidend für ein harmonisches Zusammenleben. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl wird durch kleine Rücksichtnahmen – wie das Vorankündigen von Lärm, das Teilen von Ressourcen oder das Anbieten von Hilfe – gestärkt. Die Akzeptanz von Unterschieden ist ebenfalls wichtig: Nicht jeder Nachbar hat die gleichen Vorstellungen vom Leben, und Toleranz gegenüber anderen Lebensweisen ist ein Muss.
Technische Assistenzsysteme können helfen: Teppiche, Filzgleiter oder schalldämmende Türen sind Beispiele für Lärmschutzmaßnahmen, die die Geräuschkulisse mindern. Regelmäßiges Lüften oder der Verzicht auf stark riechende Substanzen in Gemeinschaftsräumen sind effektive Methoden, um Gerüchen entgegenzuwirken. Tierhalter sollten das Verhalten ihrer Haustiere beobachten und sicherstellen, dass sie andere nicht belästigen.
Es ist ratsam, klare Vereinbarungen zu treffen, wenn man gemeinschaftliche Flächen nutzt. Garten, Waschküche und Fahrradkeller sollten von allen, die sie nutzen, ordentlich gehalten werden, ohne andere einzuschränken. Ein weiteres häufiges Streitthema ist die Müllentsorgung: Sauberkeit und das Einhalten der Abholtermine sind wichtige Punkte, um Ärger zu vermeiden.
Wenn Probleme auftreten, ist es klug, das Gespräch zu suchen und dabei auf eine sachliche und wertschätzende Kommunikation zu achten. Selbstverständlich führen Schuldzuweisungen und Vorwürfe selten zur Lösung; Verständnis und die Bereitschaft zu Kompromissen sind der Weg hinaus. Unsichere Personen können sich an Mietervereine, Hausverwaltungen oder Beratungsstellen wenden.
Gesellschaftliche Auswirkungen und politische Handlungsfelder
Die Zunahme von Nachbarschaftskonflikten ist nicht nur ein individuelles Phänomen; sie betrifft auch gesellschaftliche und politische Bereiche. Die Justiz und die Polizei haben durch Nachbarschaftsstreitigkeiten eine erhebliche Belastung; Ressourcen, die für andere Aufgaben dringend gebraucht werden, werden gebunden. Außerdem schädigen langanhaltende Konflikte das soziale Klima in Wohngebieten und tragen zur Erosion des nachbarschaftlichen Zusammenhalts bei.
Es ist eine Herausforderung für Städteplaner und Kommunalpolitiker, Strukturen zu entwerfen, die das Zusammenleben fördern und Konflikte minimieren. Alles beginnt mit durchdachten Gemeinschaftsflächen, klaren Regeln für das Zusammenleben und einem Angebot von Beratungs- und Schlichtungsstellen. Das Thema Lärmschutz wird ebenfalls immer wichtiger: Um möglichen Streitigkeiten vorzubeugen, kommen in Neubauten immer öfter schalldämmende Materialien zum Einsatz.
Es ist an der Politik, Bedingungen zu schaffen, die den sozialen Frieden stärken. Das umfasst die Unterstützung von Nachbarschaftsprojekten, Investitionen in soziale Infrastruktur sowie Initiativen zur interkulturellen Verständigung. In einigen Städten übernehmen Quartiersmanager die Rolle von Ansprechpartnern bei Konflikten und tragen dazu bei, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Ehrenamtliche Schlichter zu unterstützen und Mediation zu fördern, gelten ebenfalls als wichtige Maßnahmen.
Es gibt Überlegungen auf Bundesebene, das Nachbarrecht zu reformieren und an die neuen Lebensbedingungen anzupassen. Fachleute verlangen eindeutige Regeln zu Lärm, Gerüchen und der Nutzung gemeinschaftlicher Flächen. Zur selben Zeit sollten die Rechte der Betroffenen gestärkt und der Zugang zu außergerichtlichen Einigungsmöglichkeiten erleichtert werden.
Die Auswirkungen von Nachbarschaftskonflikten auf die Gesellschaft sind nicht zu unterschätzen. Wenn das Miteinander zerbricht, erhöht sich das Risiko für Vereinsamung, Misstrauen und Konflikte. Eine funktionierende Nachbarschaft ist ein entscheidender Faktor für den sozialen Frieden – deshalb ist es eine Aufgabe, die Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft gemeinsam angehen sollten.